chip.de Top NewsNetflix verkündete in den vergangenen Wochen eine ganze Reihe an geplanten Neuerungen. Account-Sharing soll erschwert, Formate des Streaming-Anbieters im TV veröffentlicht werden. Mit jeder Anpassung verliert die Plattform mehr das, was sie einst so einzigartig gemacht hat: Ihre Exklusivität und das Image als echte Alternative zum linearen Fernsehen. Ein Kommentar von Anna Schmid. Als Netflix gegründet wurde, war ich gerade einmal ein Jahr alt. Den Begriff "Streaming" kannte kaum jemand, wer sich bei Netflix einen Film ansehen wollte, musste ihn sich als DVD zuschicken lassen. In mehr als 20 Jahren hat sich einiges verändert. Bei mir, aber auch bei Netflix.Denn nicht nur DVDs sind inzwischen weitestgehend Geschichte. Auch inhaltlich verändert sich die Plattform immer mehr - zuletzt wurde bekannt, dass Netflix diverse Änderungen plant. Änderungen, die ich nur mit Sorge betrachten kann. Und die mich, als Netflix-Ultra, ins Lager der Streaming-Konkurrenz treiben. Netflix-Originals im TV: Konzern nimmt sich damit die Exklusivität Foto: Alexander Heinl/dpaZum einen brauche ich womöglich bald keinen Account mehr, um mir Inhalte des Streaming-Giganten anzusehen. Wie "The Information" berichtet, will Netflix diverse Eigenproduktionen an US-Fernsehsender verkaufen. Dazu soll der Streaming-Gigant mit NBC Universal und Viacom CBS gesprochen haben, es ist die Rede von einer "spektakulären Kehrtwende zum bisherigen Geschäftsmodell".Zwar geht es bei dem potenziellen Strategiewechsel um ältere Netflix-Formate, die ohnehin keine Zuschauermagneten mehr sind. Die Ausstrahlung im TV bedeutet für den Streaming-Giganten Zusatzeinnahmen, außerdem gab es bereits erste Versuche, Netflix-Inhalte im Fernsehen zu platzieren. Trotzdem würde sich Netflix mit einer TV-Offensive ein Stück weit ins eigene Bein schießen. Denn mit jeder verkauften Serie, mit jedem verkauften Film gibt die Streaming-Plattform auch ein Stück Exklusivität ab. Originals, also vom Konzern eigens produzierte Filme und Serien, sind zur Netflix-DNA geworden. Wer sich "Das Damengambit" oder "Stranger Things" ansehen wollte, brauchte bisher ein Netflix-Abo. Sollten die Formate aber ohnehin irgendwann im TV ausgestrahlt werden, wird ein Streaming-Pass - zumindest für geduldige User wie mich - obsolet. Netflix will Account-Sharing stoppen: Der nächste Fehler Zum anderen sickerte vor wenigen Wochen durch, dass Netflix das Teilen von Accounts erschweren will. Wie wir berichtet haben, testet der Konzern gerade eine entsprechende Funktion. Möchte man das Konto von Freunden, Verwandten oder dem Schwager der Ex-Freundin nutzen, ist eine Verifizierung per E-Mail oder SMS notwendig. So soll geprüft werden, ob sich Account-Besitzer und Account-Nutzer im selben Haushalt aufhalten.Das mag in den Augen von Netflix durchaus Sinn machen. Immerhin versucht der Konzern schon seit Jahren, gegen Account-Sharing vorzugehen, jeder Dritte teilt sein Konto "Deadline" zufolge mit anderen. Für Netflix bedeutet das Verluste im Wert von knapp 12,5 Milliarden US-Dollar (bis 2024), die der Streaming-Riese verständlicherweise nicht länger hinnehmen will. Eine Konto-Teil-Sperre ist trotzdem zu kurz gedacht.Denn nicht nur ich als Netflix-Ultra würde mich bei einer derartigen Neuregelung vor den Kopf gestoßen fühlen. Das Portal "Android Authority" befragte 1050 seiner Nutzer, wie sie damit umgehen würden, sollte der Streaming-Gigant dem Account-Sharing ein jähes Ende bereiten.Ganze 83,8 Prozent gaben an, dass sie sich nicht extra neu bei Netflix registrieren würden. Statt sich ein eigenes Konto anzulegen, würden sie dem Streaming-Anbieter lieber komplett den Rücken kehren."Wieder mal ein absolut unnötiger Schritt. Wenn du also den Netflix-Account deiner Freunde oder Familie benutzen willst, musst du bei ihnen um den Code betteln. Das wird das Account-Sharing nicht beenden", schreibt ein User. Ein anderer kommentiert: "Netflix könnte von Disney Plus lernen, wo sieben User erlaubt sind, ohne dass alle unter einem Dach leben müssen ." Und dann kommt auch noch die Reality-TV-Strategie Und als wären beide Vorhaben nicht schon ätzend genug, kommt Netflix mit einer dritten Neuerung daher. Offenbar will der Konzern vermehrt Reality-TV-Formate ausstrahlen, wie mehrere Medien berichten. "The Circle" und "Too Hot To Handle", eine Social-Media-Show und ein Dating-Format, gehen im Frühjahr in die zweite Staffel.Damit passt sich Netflix nicht nur inhaltlich an die TV-Landschaft an - der Konzern strahlt die Sendungen auch in entsprechender Manier aus. Heißt: Neue Folgen werden nicht in einem Rutsch veröffentlicht, sondern nach und nach. "Wir experimentieren mit dem Veröffentlichungsformat, damit Sie Zeit haben, jeden Schritt des Wettbewerbs zu analysieren", schreibt der Konzern.Das mag eine nette Idee sein - widerspricht aber dem Kernkonzept des Streaming-Riesen. Denn eigentlich geht es bei Netflix doch darum, viele Folgen einer Serie am Stück zu schauen? Fans wie ich können einem solchen Umschwung nichts abgewinnen. Bei ProSieben warte ich Woche um Woche auf neue "Germany's Next Topmodel"-Infos, dass Netflix mich nun auch mit so etwas quält, hätte ich nicht gedacht. "Jeden Schritt des Wettbewerbs zu analysieren" ist für mich kein Grund, die Plattform zu nutzen.Exklusivität, einfacher Zugang und in der Regel keine langen Wartezeiten auf neue Episoden - das waren meine Gründe. Viel übrig geblieben ist von meiner Netflix-Überzeugung nicht. Zumal ein Abo jetzt auch noch teurer wird. Die Standard-Version kostet künftig 12,99 Euro statt 11,99. Und Premium-Kunden zahlen bei einem neuen Preis von 17,99 Euro sogar 2 Euro mehr.

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