Heise Top NewsDie Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft des Bundes (MIG) hat ihren Betrieb noch nicht aufgenommen, da schmiedet das Bundesministerium für Verkehr und Infrastruktur (BMVI) schon Pläne, ihren Aufgabenbereich erheblich zu erweitern. Statt – wie bisher vorgesehen – nur die Löcher im LTE-Netz zu stopfen, könnte die MIG künftig auch für den Ausbau von 5G oder sogar der Breitbandinfrastruktur zuständig sein. Entsprechende "Vorüberlegungen" hat das BMVI bestätigt. Eigentlich sollte die MIG ein zeitlich befristetes Instrument sein, um Versorgungslücken in den Mobilfunknetzen zu schließen: Wo die Netzbetreiber es aus wirtschaftlichen Gründen nicht tun, baut der Bund Antennenstandorte und schließt so die "weißen Flecken" auf der Mobilfunklandkarte. Dafür sollen bis zu 5000 Mobilfunkstandorte errichtet und angebunden werden. Der Bund will sich das bis zu 1,1 Milliarden Euro kosten lassen. Zustimmung unter Auflagen Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat seine Zustimmung unter Auflagen erteilt. Zunächst soll sich die MIG darauf konzentrieren, die Lücken im LTE-Netz zu schließen. Damit wäre absehbar, dass die Aufgabe der MIG in ein paar Jahren erfüllt sein dürfte – und sie nicht mehr benötigt wird. Eine laut Gesellschaftsvertrag mögliche Erweiterung des Aufgabenbereichs würde auch den Fortbestand der Quasi-Behörde bedeuten, bedarf aber neuer Abstimmung mit dem BMF. Obwohl die MIG noch nicht mal arbeitsfähig ist, strebt Infrastrukturminister Andreas Scheuer (CSU) offenbar bereits an, sie dauerhaft zu installieren. Die Überlegungen "zu möglichen Aufgaben der MIG in Bezug auf den flächendeckenden 5G-Aufbau" seien "noch nicht abgeschlossen", teilte das BMVG auf eine Anfrage der Bundestagsfraktion der Grünen mit. "Derzeit finden konzeptionelle Vorüberlegungen statt." Dabei werde "auch wissenschaftliche Expertise eingeholt". Sobald das BMVI ein Konzept hat, welche neuen Aufgaben die MIG bekommen könnte, will das Ministerium auch "auf die betroffenen Ressorts zugehen". "Unkoordiniertes Nebeneinander" Der Bundesrechnungshof hat das kommen sehen – und fordert eine klare Abgrenzung des Aufgabenbereichs, auch um Überschneidungen mit anderen Institutionen wie dem Gigabitbüro des Bundes oder der DB Broadband GmbH zu vermeiden. Die Rechnungsprüfer warnen vor der "Gefahr eines unkoordinierten Nebeneinanders" und stellen "im Übrigen" fest, dass die Erweiterung der Zuständigkeit der MIG auf 5G und Breitband "den von BMF im Rahmen seiner Zustimmung zur Gründung der MIG erteilten Auflagen" widerspreche. Die Ende 2020 gegründete bundeseigene Funkloch-Gesellschaft ist ohnehin umstritten. Kritiker verweisen darauf, dass die Bundesnetzagentur für die gedachten Aufgaben ebenfalls gut aufgestellt sei. Das würde zudem viel Geld sparen. Schließlich könnten bestehende Strukturen der Netzagentur genutzt und es müsste keine komplett neue Gesellschaft aus dem Boden gestampft werden. Als Standort für die neue Quasi-Behörde hatte das BMVI bereits Naumburg in Sachsen-Anhalt auserkoren. "Absurde Idee" Eine "absurde Idee" findet VATM-Chef Jürgen Grützner die vom BMVI betriebene Zuständigkeitserweiterung auf den Festnetzbereich. Der Ausbau der Netze sei "keine staatliche Aufgabe". Der Staat dürfe nur eingreifen, wenn es anders gar nicht funktioniert. Deshalb bestehe im Hinblick auf den gerade erst angelaufenen 5G-Ausbau noch "überhaupt kein Handlungsbedarf". Das Ministerium wolle vielmehr Kompetenzen der Bundesnetzagentur in einer eigene, neue Behörde verlagern. "Wir brauchen bessere Förderverfahren und keine neue Behörde", betont Grützner. Die geplante Erweiterung des Aufgabenbereichs der MIG ist auch für den grünen Bundestagsabgeordneten Sven-Christian Kindler ein klares Indiz, dass hier dauerhaft eine neue Behörde im Einflussbereich des BMVI entstehen soll. "Hier wird eine neue Behörde aus dem Boden gestampft, die nach harten Auseinandersetzungen zwischen Verkehrs- und Finanzministerium nur unter strengen Auflagen gegründet werden sollte", sagt Kindler. "Jetzt, wo die MIG gegründet ist, beginnt das Verkehrsministerium die Auflagen gezielt zu umgehen. Scheuer setzt sich ohne mit der Wimper zu zucken über diese Vorgaben hinweg." Kein Bedarf absehbar Auch in der Koalition haben Scheuers Pläne nicht nur Fans. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Gustav Herzog verwies auf das eigenwirtschaftliche Interesse der Telekommunikationsunternehmen am 5G-Ausbau hin. Erst mit der für 2023 oder 2024 erwarteten Auktion von Frequenzen, die Ende 2025 auslaufen, sei absehbar, "ob für die MIG überhaupt ein Bedarf oder gar eine Notwendigkeit besteht", sagte Herzog der dpa. "Die MIG sollte sich durch erfolgreiche Arbeit ganz schnell selbst überflüssig machen." (vbr) Zur Startseite

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