Heise Top NewsDrei Studenten ist es gelungen, mit KI-Technik so viel Text einer verkohlten Papyrusrolle aus dem Jahr 79 zu rekonstruieren, dass sie den großen Preis der Vesuvius Challenge gewonnen haben. Das haben die Verantwortlichen jetzt mitgeteilt und zeigen sich begeistert. Das Preisgeld in Höhe von 700.000 US-Dollar (etwa 650.000 Euro) geht an Youssef Nader, Luke Farritor und Julian Schilliger. Sie hätten nicht nur die Kriterien erfüllt und vier Absätze mit mehr als 140 Zeichen zu jeweils 85 Prozent lesbar gemacht, sondern 11 weitere Spalten eingereicht. Insgesamt spreche man von über 2.000 Zeichen, die zum ersten Mal seit fast zwei Jahrtausenden wieder gelesen werden können. Dank der drei habe man etwa 5 Prozent der ersten Schriftrolle gelesen, es handle sich um einen bislang unbekannten Text zu Fragen der epikureischen Philosophie. Anzeige Einsatz modernster Technik Die Papyrusrollen wurden im Jahr 79 unter dem Ascheregen und den Lavamassen des berühmten Vulkanausbruchs begraben, der unter anderem die römischen Städte Pompeji und Herculaneum verschüttet hat. Gefunden wurden sie in einer Bibliothek aus 800 Rollen im antiken Herculaneum. Von diesen Schriftrollen verspricht sich die Geschichtswissenschaft viel, aber es ist nie gelungen, einzelne Exemplare auszurollen und zu entziffern. Bei allen Versuchen zerfielen die Papyrusstreifen in Bruchstücke. Zudem wurden sie offenbar mit einer Tinte aus Kohlenstoffpigmenten beschrieben, bei der Unterschiede zum verkohlten Papyrus kaum auszumachen sind. Vor fünf Jahren wurden dann zwei dieser ungeöffneten Rollen von einem Teilchenbeschleuniger durchleuchtet. Die dabei entstandenen, hochaufgelösten Aufnahmen haben die Grundlage für den Wettbewerb gebildet. Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen haben damit KI-Modelle trainiert, um die griechischen Buchstaben oder gar Worte zu identifizieren. Einen ersten Teilerfolg hat es im Herbst gegeben, als zwei der drei jetzigen Gewinner schon einmal für ihre Arbeit ausgezeichnet wurden. Damals hatten sie aber erst ein einziges griechisches Wort freigelegt – ΠΟΡΦΥΡΑϹ beziehungsweise Purpur. Jetzt konnten dagegen ganze Abschnitte rekonstruiert werden. Das Team hat direkt eine Fortsetzung des Wettbewerbs angekündigt, um den Großteil der Schriftrollen lesbar zu machen. Immense Erwartungen Die in dem Text behandelten Fragen dazu, wie man das Leben genießen könne, seien immer noch relevant, schreiben die Verantwortlichen des Wettbewerbs. Sobald man den Einsatz der Technik ausweite, werde man noch viele weitere Arbeiten aus der verschütteten Bibliothek lesen können. Die große Hoffnung ist, dass darunter auch längst verlorene, etwa von Aristoteles sein werden. Einige Personen würden sogar bereits die Erwartung äußern, dass die größte Revolution beim Verständnis des klassischen Altertums seit der Renaissance anstehe. Das bezieht sich vor allem auf die Erwartung, dass der Hauptteil der Bibliothek noch gar nicht gefunden wurde, sondern noch seiner Ausgrabung harrt. Möglicherweise warteten noch tausende Papyrusrollen unter der Asche. Angesichts der bekannten Tendenz von KI-Modellen, Inhalte gewissermaßen zu "erfinden" – sogenannte KI-Halluzinationen – erläutert das Team schließlich, wie die Korrektheit der rekonstruierten Informationen geprüft wurde. So habe man alle eingereichten Arbeiten selbst reproduziert und dabei identische Ergebnisse erhalten. Die Algorithmen seien außerdem der Nachvollziehbarkeit halber öffentlich gemacht worden. Obendrein hätten unterschiedliche Einreichungen zu denselben Bereichen der Schriftrollen identische Ergebnisse geliefert, auch das spreche für die Korrektheit. Und schließlich basierten die Arbeiten der KI nicht auf Schrifterkennung oder ähnlichen Verfahren, stattdessen würden direkt die Spuren der Tinte gefunden. (mho) Zur Startseite

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