Heise Top NewsIn der Geologie gibt es vorerst weiter keine eigene Epoche der Erdgeschichte, die durch den Einfluss der Menschheit geprägt ist. Ein Vorschlag für die Definition des sogenannten Anthropozäns wurde von dem dafür zuständigen Gremium abgelehnt, berichten übereinstimmend mehrere Medien. Sie beziehen sich dabei auf eine Abstimmung in der sogenannten Unterkommission für die Stratigraphie des Quartärs, die Anfang der Woche durchgeführt wurde. 12 der 18 darin versammelten Forscher und Forscherinnen stimmten dabei Anfang der Woche vor allem gegen die als Referenz vorgeschlagene Sedimentabfolge, die kurz nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden ist. Anzeige Definition vielen zu eng Die Entscheidung sei nicht als Absage an die Einschätzung zu verstehen, dass die Menschheit längst entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung der Erde nimmt, versichert der Geowissenschaftler Erle Ellis im US-Magazin The Conversation. Stattdessen konzentriere sich die Kritik vor allem auf die viel zu enge Definition. Im vergangenen Sommer hatte die dafür eingesetzte Arbeitsgruppe vorgeschlagen, den geologischen Anfang des Anthropozäns an radioaktiven Niederschlägen von Atomwaffen-Tests festzumachen. Die dabei auf die Oberfläche gefallenen Plutonium-Isotope sind weltweit nachweisbar. Das ist eine Grundvoraussetzung für die Definition einer geologischen Epoche. Mit dem Fokus auf die Plutonium-Isotope wurde der Beginn des Anthropozäns viel zu spät festgelegt, erklärt Ellis, der der Arbeitsgruppe bis 2023 angehört hat. Dabei hatte der Chemie-Nobelpreisträger Paul Crutzen den Begriff vor dem Hintergrund der massiven Emissionen von Treibhausgasen und der breiten Zerstörung von Ökosystemen vom altgriechischen Wort ánthropos (ἄνθρωπος) für Mensch abgeleitet. Beide Entwicklungen lassen sich schon deutlich länger beobachten, haben aber keinen eindeutigen und weltweit nachweisbaren geologischen Beginn. Crutzen selbst wollte den Anfang irgendwann Ende des 18. Jahrhunderts nach Beginn der Industrialisierung festlegen. Die jetzt erfolgte Ablehnung durch die Subcommission on Quaternary Stratigraphy sei nicht als Ablehnung des Konzepts Anthropozän an sich zu verstehen, versichert Ellis. Das Gegenteil sei der Fall. Die Menschheit präge die Erde seit Jahrtausenden, der Referenzpunkt sei für viele einfach zu jung. Die Debatte über eine geologische Definition des Anthropozäns sei mit der Entscheidung auch nicht beendet, es könnte eine neue Arbeitsgruppe eingesetzt werden, um einen weiteren Vorschlag zu machen. Laut der New York Times könnte aber auch die Entscheidung der Subkommission selbst angefochten werden. Darüber sei aber bislang nicht entschieden worden. Vorerst bleibt das Holozän, das vor etwa 12.000 Jahren begonnen hat, aber das aktuellste Erdzeitalter. Mehrere Alternativvorschläge Bei der jetzt abgelehnten Referenzprobe hat es sich um eine Sedimentabfolge gehandelt, die aus dem kleinen Lake Crawford im Südosten Kanadas stammt. Ein dort entnommener Bohrkern enthält saisonale Ablagerungen, die gut sichtbare Jahreslinien zeigen. Der Beginn der Industrialisierung als weiterer möglicher Ausgangspunkt lässt sich derweil mancherorts kaum geologisch feststellen. Vorgeschlagen worden waren auch deutlich frühere Daten, unter anderem die Neolithische Revolution oder die Kolonisierung Amerikas. Wieder andere in der Forschung haben auf die sogenannte "Große Beschleunigung" verwiesen, einen dramatischen Anstieg der Weltbevölkerung, der Wirtschaftsleistung, der Nutzung verschiedener Ressourcen und anderer Trends, die etwa um 1950 einsetzten. (mho) Zur Startseite

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